1313 September 28., Endingen a. K.
Aus Endinger Geschichte
Kol her[r]n Walthers des alten Colers seligen sun (Sohn), eines Ritters kündet, daß er mit Einwilligung seines Herren, des Grafen Egen von Freiburg und seines Sohnes Grafen Konrad, 17 Mutt (17 Mutt oder modi oder Scheffel = 1261,4 Liter Roggen nach dem am ganzen Kaiserstuhl gültigen Endinger Maltermaß) Roggen Zins Endinger Maßes auf Martini (Hl. Martin von Tours, am 11. November), zu entrichten nach Endingen in ein beliebiges Haus, aus seinem Hof ze Wellingen und allem zugehörigen (bebauten oder unbebauten) Gut Berhtolde Slegellin einem burger von Friburg verkauft hat um bezahlte 15 Mark Silber, lötiges Freiburger Gewichts. Es gibt ihm den Hof zu ledigem Eigen auf und empfängt ihn wieder von ihm zu Erbe um obigen Zins und 2 Kapaune (kastrierte Hähne) zu Ehrschatz, darf aber den Zins zurückkaufen bis Martini 1318 um dieselbe Summe und zwar vor Lichtmeß (Maria Lichtmeß, 2. Februar, 40 Tage nach Weihnacht) ohne den Zins des betreffenden Jahres. Währschaft (Bürgschaft, das heißt: es werden Bürgen gestellt). Mitsiegler auf beiderseitiges Bitten: Die Grafen Egen und Konrad von Freiburg. Zeugen: Cuonrat Töldeli von Friburg, .. der Wenger, Bertschi der Meyer, Werli der Meyer (hier begegnen uns also schon die Meyer in Endingen), Heinrich Villiep, Walther Swigger, Clawes Krúscheli, Johannes der Sirner von Endingen, Johannes Kreyen mor von Baldingen (Bahlingen a. K.), geschehen und gegeben 1313 an sante Michels abunde (Vorabend des Hl. Erzengels Michael am 29. September).
Quelle: Stefan Schmidt: Die Geschichte des Dorfes Wellingen am Rhein, sowie das Lehen und die Wasserfeste Schafgießen, 2006 S. 9 - 11.; Original: GLA, Karlsruhe: 21/472. Siegel an Leinenstreifen: 1. Rund (32). Schild geteilt, oben halber Löwe. (Lahusen SGrFreib. Abb. 6); 3. (ebd. Abb. 10). Geschrieben von Peter von Sölden. Quelle: Heinrich Schreiber: Urkundenbuch der Stadt Freiburg i. Br. Uk.Nr. 292 S. 217.
Ritter Walther Koler von Wil stammte mit hoher Wahrscheinlichkeit von der Endinger Koliburg, denn sein Wappen verrät seine Herkunft: in geteiltem Schild, oben ein halber Löwe. Dieses Wappen führten auch die Herren der Koliburg, auch genannt die Herren von Endingen, siehe die Wappenscheiben im Endinger Chörle im Freiburger Münster. Ob die Koler von Wil genauso verhasst waren in Wyhl und Wellingen, wie ihre Verwandten auf der Koliburg, in Endingen wissen wir nicht. Die feindselige Einstellung der Wyhler Bevölkerung gegen alles was aus Endingen kommt, könnte aber eine Erklärung finden in folgender Schilderung, vorausgesetzt gleiches hat sich auch in Wyhl zugetragen. Bekanntermaßen haben die Herren von Üsenberg zusammen mit der Endinger Bevölkerung die Koliburg belagert und erstürmt im Kaiserstühler Krieg, dabei erschlugen sie drei Herren von Endingen, worauf ein heftiger Krieg entbrannte und die Üsenberger fast verarmten, ihre Macht einbüssten und die restlichen Herren von Endingen die Stadt verließen um nach Straßburg auszuwandern. Der Hintergrund des Krieges waren die Vogteirechte im Dorf Bickensohl, welche die Üsenberger ansichbringen wollten, diese Vogtei hatten zuvor die Herren von Falkenstein, Verwandte der Herren von Endingen inne.
Was aber die Endinger so gegen ihre Herrschaft, also die Herren von Endingen aufbrachte war ihr strenges Regiment, denn sie wandten in ihrer Herrschaft das alte Recht: „Das Herrenrecht der ersten Nacht - jus primae noctis“ an. Hatten sich also zwei junge Menschen aus Endingen gefunden und wollten heiraten, so bestand der Herr auf der Koliburg auf dem Recht der ersten Nacht mit der Braut. Wie mir Meinrad Schwörer von Wyhl sagte, gab es aber auch die Möglichkeit für die Brautleute sich von diesem “Recht” loszukaufen, z.B. mit einer Kuh ect., sicherlich wird der Burgherr von Fall zu Fall entschieden haben, ob er aber auf seinem sog. Recht bestand.
Zur Erklärung: Das Herrenrecht der ersten Nacht - jus primae noctis, nach allgemeinem Verständnis ein Recht der mittelalterlichen Feudalherren auf den Beischlaf mit den Bräuten ihrer abhängigen Bauern in der Hochzeitsnacht, gehört zu den ungewöhnlichen Themen der europäischen Kulturgeschichte. Zum einen ist es eng an die Geschichte der ländlichen Gesellschaft des späten Mittelalters gebunden, zum anderen aber erscheint es als scheinbar zeitloses Phänomen der Weltgeschichte, dessen früheste Spuren in die Anfänge des Schriftgebrauchs zurückreichen. Schon das Gilgamesch-Epos kennt das jus primae noctis und verwendet diesen literarischen Topos zur Charakterisierung von Macht und tyrannischer Herrschaft des Königs von Uruk. Die römische, arabische und inselkeltische Literatur kannte den Topos ebenfalls und hat ihn in nahezu identischer Weise verwendet. Im westeuropäischen Spätmittelalter findet sich zunächst der literarische Topos des Herrenrechts der ersten Nacht in der Literatur und Dichtung seit der Mitte des 13. Jahrhunderts. Darin steht das jus primae noctis in Verbindung mit Abgaben auf die Mitgift bzw. den Erbteil der Braut bei der Eheschliessung, ihr maritagium, an den Herrn. Der nordfranzösische Kreuzfahrerroman Baudouin de Sebourc, dessen Entstehungszeit in der Mitte des 14. Jahrhunderts liegt, hat das Herrenrecht in seiner Verbindung zu den Heiratsabgaben populär gemacht und breiten Bevölkerungsschichten näher gebracht. Auch dieser Text verwendet den Topos des Herrenrechts der ersten Nacht zur Charakterisierung von Steuerforderungen auf die Mitgift der Braut anläßlich ihrer Eheschließung. Ein Grund für die Verbindung des Herrenrechts der ersten Nacht zu diesen Mitgiftsteuern ist wahrscheinlich die Ablehnung solcher Steuern durch die Zahlungspflichtigen und die besondere Konnotation dieses Ehegeschenks im Spätmittelalter als Äquivalent der Keuschheit und Jungfräulichkeit der Braut. Ein Zugriff des Herrn auf diese Summe konnte daher zugleich als Angriff auf die Keuschheit der Braut interpretiert werden. Der Versroman Baudouin de Sebourc war zwar ein wichtiger Multiplikator für die Idee eines Herrenrechts als Alternative zur Zahlung von Heiratsabgaben, aber nicht der eigentliche Ursprung dieser ursprünglich oralen Tradition.
Anhand von etymologischen und vergleichenden Analysen verschiedener volkstümlicher Namen für mitteleuropäische Heiratsabgaben kann auf die Vorläufer der spätmittelalterlichen Heiratserlaubnisgebühren geschlossen, deren Funktion und rechtliche Grundlage bislang kaum untersucht worden sind. Eine im Mittelalter im Gebiet des heutigen Belgien und den Niederlanden übliche Heiratsabgabe, die mit ihrer lateinischen Bezeichnung als Bürgschaftsverpflichtung in den Quellen auftaucht, weist den Weg zu den im frühen Mittelalter üblichen Zahlungen für das mundium der Braut. Mit Hilfe einer lombardischen Quelle des 8. Jahrhunderts kann die frühmittelalterlichen Rechtsvorstellung bezüglich einer Eheschließung zwischen einem unfreien Mann und einer freien Frau rekonstruiert werden. Da ein unfreier Mann in jener Zeit zu einem solchen Rechtsgeschäft nicht in der Lage war, trat der Herr regelmäßig an die Stelle seines Unfreien und bezahlte für diesen den Brautpreis an die Braut oder an ihre Verwandten. Damit ging die urspünglich freie Frau in die Munt des Herrn ihres Bräutigams über und wurde, mit all ihren Nachfahren, selber Muntling dieses Herrn. Ihre Nachfahren – und zwar nur die Töchter – hatten bei ihrer eigenen Eheschließung das Geld, das ihre Mutter als Brautschatz bekommen hatte, wieder an den Herrn oder dessen Rechtsnachfolger zurückzuzahlen. Hieraus erklärt sich wahrscheinlich die spätere Bezeichnung von Heiratsabgaben als Bürgschaftsverpflichtung. Diese Zahlung des mundiums durch den Herrn persönlich an die freie Frau anläßlich ihres Erwerbs als Gattin für seinen Unfreien hatte einen "Nebeneffekt", der meiner Auffassung nach in späteren Jahrhunderten zu einer in mündlichen Traditionen verbreiteten Assoziation zwischen Heiratsabgaben und dem herrschaftlichen Vorrecht auf die Brautnacht in Europa geführt hat. Mit der Zahlung des mundiums erwarb ein Mann im älteren germanischen Eherecht zugleich auch das Recht auf die Heimführung der Braut und das eheliche Beilager. Zwar war dieser "Rechtsanspruch" in dem besondern Fall des Erwerbs einer freien Frau als Ehefrau für einen Muntling des Herrn nicht intendiert, aber er ergab sich zwangsläufig aus der Zahlung des mundiums durch den Herrn an die ursprünglich frei Frau.
Seit der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts fand die Idee eines herrschaftlichen Vorrechts auf die Brautnacht erstmals Verwendung im ländlichen Gewohnheitsrecht. Sie wurde von Herren oder deren Verwaltern in das öffentliche Rechtsleben von Herrschaften integriert und verschriftlichte sich sukzessive mit der Aufzeichnung ländlicher Gewohnheitsrechte und dem Wechsel vom mündlich gewiesenen zum geschriebenen Recht. Das Herrenrecht wurde dazu verwendet, Abgabenzahlungen anläßlich einer Hochzeit von Untertanen zu legitimieren, Ersatzhandlungen für die Nichtzahlung einer Abgabe bereitzustellen und schließlich, um dem eigenen Lehnsherrn das Alter der herrschaftlichen Rechte und vor allem der niederen und mittleren Gerichtsherrlichkeit zu demonstrieren. Die Abgabenzahlungen wiederum, die in den ländlichen Rechtstexten gefordert wurden, waren keine Mitgiftsteuern, sondern vielmehr Beteiligungen des Herrn am Luxus des Hochzeitsfests oder Erlaubnisgebühren für die Durchführung des ehelichen Beilagers auf dem Grund und Boden des Herrn. Zahlungspflichtige und Zahlungsempfänger scheinen dabei zusammen an die Authentizität eines solchen Herrenrechts der ersten Nacht im hohen Mittelalter, vor "ewigen Zeiten", geglaubt zu haben, obwohl die Initiative der Integration in das Gewohnheitsrecht eindeutig bei den Gerichtsherren lag.
Der im ausgehenden Mittelalter an manchen Orten verbreitete Glaube an ein früheres Herrenrecht der ersten Nacht erreichte schließlich in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts eine gewisse Popularität, so daß mancherorts aus der mündlichen Tradition auch symbolische Rechtshandlungen erwuchsen. In Frankreich wurde das droit de cuissage als "Schenkelrecht" in Anlehnung an die Sitte des symbolischen Vollzugs der Ehe durch einen Prokurator erfunden, der hierzu ein unbekleidetes Bein in das Bett mit der Braut stellte. In Katalonien schritten die Herren über das Hochzeitsbett, in dem die Braut niedergelegt worden war. Bei diesen symbolischen Handlungen, die schnell den Unmut der betroffenen Bauern erregten, scheint es in Katalonien auch zu sexuellen Übergriffen und damit zu Situationen gekommen zu sein, die von einer realen Umsetzung des Topos vom tyrannischen Vorrecht des Herrschers auf den Beischlaf mit den Bräuten der Untertanen nicht mehr weit entfernt waren. Diese Rechtssymbole wurden von den betroffenen Bauern als Erniedrigung, als Zeichen der Herrschaft empfunden, gegen die sich ein ganzer Stand (pagesos de remensa) in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts schließlich erfolgreich erhob. Durch diesen "sozialen Gebrauch" des Herrenrechts, der nicht nur rhetorisch gewesen zu sein scheint, wurde im spätmittelalterlichen Katalonien versucht, die bäuerliche Abhängigkeit und die alte ständische Hierarchie aufrecht zu erhalten, die unter der Freiheitsbewegung zu zerbrechen drohte. Das Herrenrecht der ersten Nacht wurde somit als Machtdemonstration für die symbolische Reproduktion sozialer Ungleichheit instrumentalisiert. Ein Vergleich des Herrenrechts der ersten Nacht mit außereuropäischen Bräuchen der rituellen Defloration zeigt, daß es sich um grundsätzlich unterschiedlich motivierte Phänomene handelt, die allerdings in einem zentralen Punkt konvergieren. Auch bei Bräuchen, die aus einer Angst vor dem Vaginalblut beim ersten Geschlechtsverkehr oder als rite de passage entstanden sind, waren es zumeist mächtige Männer (Priester, Brahmanen, Häuptlinge), die mit der Defloration der Braut beauftragt wurden bzw. dieses Privileg wahrgenommen haben. Diese Konvergenzen kann auf eine anthropologische Konstante, nämlich die Beziehung zwischen Macht und Polygynie, zurückgeführt werden, die sich nicht nur mit Hilfe kulturvergleichender Studien, sondern auch aufgrund physiologischer Anpassungen des Menschen aufzeigen läßt. Das Herrenrecht der ersten Nacht scheint somit seinen Ursprung im intrasexuellen Konkurrenzverhalten von Männern zu nehmen, stellt aber im Gegensatz zum absoluten Anspruch eines Mannes auf alle Frauen seines Herrschaftsgebietes eine auf Symbolgebrauch gestützte Einschränkung dieses Prinzips dar. Die Gleichzeitigkeit und gegenseitige Verzahnung von literarischem Topos und der spätmittelalterlichen Realität symbolischer Rechtsbräuche machen eine binäre Aussage von Ja oder Nein über die historische Realität des Herrenrechts der ersten Nacht unmöglich. Als Ergebnis läßt sich jedoch festhalten, daß es sich beim Herrenrecht der ersten Nacht keineswegs nur um eine Fiktion oder einen Mythos gehandelt hat, sondern um eine, durch die Konzentration auf die Hochzeitsnacht typisch menschliche "Geste" der innergeschlechtlichen und sozialen Konkurrenz, die sich auf der Grundlage der spezifischen Bedingungen der Eheschließung und der Herrschaftskonzepte zu Beginn des europäischen Mittelalters ausbilden konnte und am Ausgang dieser Epoche eine bemerkenswerte Blüte erlebte.
Quelle: Stefan Schmidt: Die Geschichte des Dorfes Wellingen am Rhein, sowie das Lehen und die Wasserfeste Schafgießen, 2006 S. 9 - 11; Das Herrenrecht der ersten Nacht. Hochzeit, Herrschaft und Heiratszins im Mittelalter und in der frühen Neuzeit, Frankfurt am Main, Campus Historische Studien Bd. 27, 1999.